vlnr.: David Hackenberger, Negar Shahmoradi, Lukas Gaats, Niklas Gollenstede

mo:re - Mikrolabor als wirtschaftliche Alternative für Tierversuche

Das Startup mo:re von der Technischen Universität Hamburg (TU Hamburg) entwickelt gerade einen Mikrolabor-Prototyp, der die Forschung mit menschlichen Zellen revolutionieren soll. Gründer Lukas Gaats und sein Team wollen den Forschenden das Leben unter anderem durch Automatisierung von Zellkulturprozessen erleichtern. Ziel ist es, dass in jedem Labor später ein solches Mikrolabor steht, um Forschung mit 3D-Zellmodellen als Alternative zu Tierversuchen einfach und bezahlbar zu machen.

 

Zellkulturen eignen sich dazu, molekulare und zelluläre Prozesse zu beobachten und Diagnoseverfahren sowie Arzneimittel zu entwickeln. Im Bereich der Zellforschung werden Zellkulturen seit über einhundert Jahren in einem Glasgefäß via Nährstofflösung angelegt. Dies wird als zweidimensionaler (2D) Raum bezeichnet. Vor etwa zwanzig Jahren entstand eine aussagekräftigere Forschungsmethode in 3D, bei der die Kultivierung der Zellen in einem noch realistischeren Umfeld stattfindet. Diese Methode hat sich jedoch bisher im Markt nicht etabliert, denn sie ist teurer, komplizierter und hat eine höhere Fehlerquote. Das Startup mo:re möchte genau dieses Problem lösen, indem sie 3D-Kulturen mit Hydrogelen reproduzierbar machen. Hydrogele sind moderne Biomaterialien, welche die extrazelluläre Matrix –Gewebe das Zellen im Körper umgibt – imitieren, sodass die Zellkultur auch im Labor unter realistischen Bedingungen wächst. Zudem sollen die verschiedenen Arbeitsschritte in einem Roboter gebündelt werden, damit diese automatisiert ablaufen können. Daher auch der Firmenname mo:re, eine Kombination aus den Begriffen Modular und Reproduzierbar.

Das Gründungs-Team

Im Rahmen seines MBAs (Master of Business Administration) an der TU Hamburg lernte der Hamburger Medizin Ingenieur Lukas Gaats seine Mitgründer David Hackenberger und Niklas Gollenstede kennen: „Wir drei haben gemeinsam beim Northern Institute of Technology Management (NIT) die Entrepreneurship-Vertiefung gewählt. Da ging es dann um Business Case Development. Hierbei haben wir diverse Ideen verworfen.“

Zu der Idee für das Startup kam Lukas, als er zwischenzeitlich während seines Auslandssemesters an der Universität in Brisbane tätig war. Das Projekt lief dort bereits als Doktorarbeit, der Doktorand hat sich allerdings nach seinem PhD aus persönlichen Gründen aus dem Projekt zurückgezogen. Lukas ergriff die Gelegenheit und ging das Thema im Rahmen seiner Doktorarbeit an. Mit Professor Dietmar W. Hutmacher hatte er dort einen renommierten Experten im Bereich der Zellforschung als Mentor, der sein Startup bis heute als Berater begleitet. Der damalige Ansatz hinsichtlich der 3D-Perspektive war noch nicht ausgereift, hatte jedoch großes Potenzial, die Arbeit in Laboren weltweit zu erleichtern – davon war Lukas‘ Mentor überzeugt.

Nach seiner Rückkehr zum NIT pitchte Lukas die Idee unter anderem bei einem potenziellen Investor und bekam bestes Feedback. Insbesondere hinsichtlich der Relevanz. „Da dämmerte es ihm schon, dass daraus etwas werden könnte, jedoch war er zu dem Zeitpunkt noch alleine“, berichtet der im Harz geborene David, der an der TU Hamburg seinen Bachelor in Maschinenbau gemacht hat: „Also hat er mich angesprochen, weil er hierzu Hardware benötigt, was mein Fachbereich ist. Die Anfrage kam für mich gerade zur richtigen Zeit, denn ich hatte mich kurz zuvor entschieden, meine eigene Geschäftsidee aufzugeben.“ Wenig später stieß auch Kommilitone und Softwareentwickler Niklas Gollenstede aus Buxtehude hinzu.

Im Juli 2021 traf das Trio von der TU Hamburg dann bei einem Startup-Bootcamp in München auf Negar Shahmoradi, deren Themenschwerpunkt Mediziningenieurwesen und Materialwissenschaften ist: „Wir haben Negar bei einem Startup-Wettbewerb kennengelernt. Da wurden Startups Studierenden zugeordnet und das hat so gut mit ihr geklappt, dass wir Negar gefragt haben, ob sie nicht bei uns mitmachen möchte – sie hat glücklicherweise ja gesagt“, berichtet Lukas. Negar ist in Teheran geboren, hat dort ihren Bachelor in Maschinenbau gemacht und anschließend ihren Master in Materialwissenschaft im italienischen Trento abgeschlossen. Momentan macht sie ihren Master in Mediziningenieurwesen an der TU München. Somit war das Startup – was die ergänzenden Kompetenzen angeht (Mediziningenieurwesen über Maschinenbau und Softwareengineering bis hin zu Materialwissenschaften) – erstmal gut aufgestellt.

Förderung und Beschäftigung

Im Juni 2020 begann das Startup mit dem Schreiben des Business Plans und sah sich nach Beratungs- und Fördermöglichkeiten um, berichtet Lukas: „Dabei sind wir schnell auf das Startup Dock, beziehungsweise beyourpilot, aufmerksam geworden. David hat den Kontakt aufgenommen und die Gründungsberaterin Dr. Andrea Otto hat uns daraufhin betreut. Sie ist selber Biologin und war begeistert, erstmals in den acht Jahren ihrer Beratungstätigkeit ein biologisches Thema zu betreuen.“ Die Gründungsberaterin hat das Startup für die Bewerbungen auf die jeweiligen Förderungen unterstützt und fit gemacht. Sie wies das Team auf die passende Calls for Transfer-Förderung (C4T) hin, auf die man sich dann gemeinsam erfolgreich bewarb. „Das lief zudem über Prof. Dr.-Ing. Ralf Pörtner von der TU Hamburg. Er hat mich auch schon während meines Auslandssemesters unterstützt, wofür wir sehr dankbar sind. Er war immer für uns da“, so Lukas. Calls for Transfer förderte das Startup von August 2021 bis April 2022 und ermöglichte auf diese Weise die Startphase des zu gründenden Unternehmens. Die EXIST-Förderung begann dann ab August 2022. Die drei NIT-Wissenschaftler haben in der Zwischenzeit ihre beiden Master gemacht und arbeiten seitdem Vollzeit. Aber das reicht noch lange nicht: „Wir müssen personell wachsen. Der Hardware- wie auch der Software-Bereich ist extrem zeitintensiv in der Entwicklung. Hinzu kommt, dass wir nur eine geringe Sales-Erfahrung haben – hier benötigen wir insbesondere eine Verstärkung mit einem Netzwerk im Biologie-Sektor. Damit wir das finanzieren können, interessieren wir uns gerade für die InnoRampUp-Förderung. Auch um eine Stelle für eine Werkstudentin oder einen Werkstudenten zu schaffen – oder eine Vollzeitstelle.“

„Die nötige Kompetenz für unsere offenen Stellen zu finden, ist recht einfach. Jedoch ist es schwer, Leute auszumachen, die bei einem Startup beschäftigt werden wollen. Das ist ein unsicheres Arbeitsumfeld. Und gerade unsere gesuchten Positionen werden in der Regel gut vergütet. Wir sind da im Wettbewerb mit etablierteren Unternehmen, die oft mehr bieten können. Die Person muss natürlich wissen, worauf sie sich bei uns einlässt. Denn wir können nicht sagen, wie es im nächsten Jahr weitergeht“, stellt David fest. Die anvisierte Klientel hofft das junge Unternehmen bei Startup-nahen Veranstaltungen rekrutieren zu können, denn dort seien die Herausforderungen eines Startups bekannt – da stimme die Erwartungshaltung.

Der zeitliche und visuelle Aufwand

„Wir wollen eine Plattform schaffen, Hardware- wie Software-seitig, mit der du als Forscherin oder Forscher im Bereich 3D-Zellkulturen einen einfachen Einstieg hast. Das war mit bisherigen Geräten nicht sonderlich möglich. Wir entwickeln ein Mikrolabor, dass Standardprozesse der Charakterisierung und Produktion von 3D-Zellkulturen automatisiert und kontinuierlich dokumentiert. Damit ermöglicht es erstmals datengetriebene Forschung. Das Herzstück des Mikrolabors ist ein Datenmarktplatz, auf dem Standardprotokolle und Datensätze erstellt, gemeinsam genutzt und zu Geld gemacht werden können. Unsere Vision ist es, dass später in jedem Labor ein solches Mikrolabor steht und erschwingliche 3D-Forschung ermöglicht. Nur so können Forscher überzeugt werden, neue Technologien zu adaptieren und auf Studien an Tieren zu verzichten“, erklärt David.

„Unsere Vision lässt sich also gut beschreiben. Der Weg zur Realisierung ist jedoch lang. Die ersten Schritte zu einem belastbaren Prototyp brauchen Zeit. Neben der Entwicklung der Automatisierung müssen beispielsweise viele Daten in biologischen Studien generiert werden um Nutzer und Investoren von den Vorteilen unserer Technologie zu überzeugen. Die Hardware selbst ist recht standardisiert, da lassen sich nur sehr ausgewählte Aspekte schützen. Deshalb konzentrieren wir uns sehr auf unser Prozesswissen und den Vorteil den wir durch die im Mikro-Labor generierten Daten haben. Der strategische Fokus auf die Anwendung und die Daten passt außerdem auch gut in unser Geschäftsmodell, denn heutzutage reicht das alleinige Verkaufen von Robotern nicht aus, um zu skalieren. Unsere Vision ist somit schwer vermittelbar. Im Rahmen des XPRENEURS-Programms wollen wir den digitalen und skalierbaren Teil unseres Geschäftsmodells weiterentwickeln, Verbindungen für Pilotstudien herstellen und uns auf Investorinnen und Investoren vorbereiten. Die interessanten Dinge, die kostenintensiv sind, die kommen erst: Die eigentliche Innovation wird sichtbar, wenn alle Komponenten zusammenkommen. So, wie es momentan aussieht, schaffen wir es durch die EXIST-Förderung, ein vorzeigbares Grundprodukt zu erschaffen. Damit können wir beweisen, dass es funktioniert. Dann sind wir so tief in der Materie, dass wir anfangen können, Dinge zu schützen“, so Lukas.

Startfinanzierung und Markteintritt

Das Startup hat einen Forschungsdemonstrator sowie veröffentlichte Studien, welche die Wirksamkeit des Verfahrens belegen. Bis 2023 will das Startup die Integration von Analysefunktionen abschließen. Der Markteintritt wird für das 4. Quartal 2023 anvisiert. Durch den Verkauf von Hard- und Software an Forschungseinrichtungen sowie Biotech-Unternehmen strebt mo:re im Jahr 2024 einen Jahresumsatz von 5,5 Millionen Euro an. Dafür ist laut Startup eine Startfinanzierung von insgesamt 1,6 Millionen Euro erforderlich.

Wenn Lukas Gaats und sein Team die passenden Investorinnen oder Investoren überzeugen können, kann schließlich auch die eigentliche Innovation ihrer Idee sichtbar werden: Durch mo:re wird die 3D-Zellforschung revolutioniert, indem einzelne Prozessschritte durch Automatisierung und datengetriebener Forschung nachvollziehbar gemacht werden. Auf diese Weise können Forschende auf einfache Art und Weise neue Erkenntnisse gewinnen und Zeit und Geld sparen. Dies ebnet den Weg für die Entwicklung neuer Diagnosemethoden und Medikamente, und das alles ohne Tierversuche.

 

https://more-ls.com/